28. Dezember: Zum 400. Todestag des hl. Franz von Sales

Die letzten Monate eines Heiligen

Vor 400 Jahren, am 28. Dezember 1622 starb der heilige Franz von Sales

Am 28. Dezember 1622 starb der heilige Bischof, Kirchenlehrer, Ordensgründer, Mystiker und Patron der Gehörlosen, sowie der Schriftsteller und Journalisten im Alter von nur fünfundfünfzig Jahren. Sein Leben, seine Lehre und seine Werke beeinflussen die Menschen bis heute. Die „salesianische Spiritualität“ ist zu einem wesentlichen Element in der christlichen Welt geworden. Im Folgenden wird nun beschrieben, wie dieser Heilige der katholischen Kirche seine letzten Monate verbrachte und verstarb.

Seine Sehnsucht nach Ruhe

In den letzten Monaten seines Lebens waren dem heiligen Franz von Sales seine körperlichen Gebrechen überdeutlich bewusst: sein Sehvermögen ließ nach, seine offene Beinwunde schmerzte, sein Magen rebellierte. Seine Sehnsucht, sich in eine Einsiedelei zurückzuziehen, war nicht nur eine spirituelle Sehnsucht nach Gottesdienst mit Feder und Rosenkranz, es war eine körperliche Sehnsucht nach Ruhe und Erholung von seinen Gebrechen. Diese Hoffnung ausgelöst haben mag die Ernennung seines Bruders Jean-François de Sales zum bischöflichen Koadjutor mit dem Recht auf Nachfolge Franz von Sales, dessen großes Leitwort am Ende seines Lebens „Nichts verlangen – nichts abschlagen“ wurde, vor allem nichts, was den göttlichen Willen betraf, interpretierte äußere Ereignisse oft als Zeichen des göttlichen Willens. Mag sein, dass er in der Ernennung seines Bruders zu seinem bischöflichen Nachfolger einen Wink Gottes sah: Jetzt, Franz, ist es genug, du hast einen Nachfolger, du kannst dich zurückziehen. Aber es blieb ein frommer Wunsch. Seine kirchlichen und gesellschaftlichen, politischen und diplomatischen Pflichten, in denen er ebenso den Ausdruck des Willens Gottes sah, erdrückten ihn mehr denn je.

Franz von Sales scheint gerade in den letzten Monaten überhaupt nicht mehr auf seine Gesundheit geachtet zu haben. Irgendwie hat man den Eindruck, dass er sich selbst mit riesigen Schritten der Ewigkeit zueilen sieht. Und so sagte er zu keiner Verpflichtung mehr Nein, selbst wenn er es gekonnt hätte. Er fuhr nach Paris, er versah seine Pflichten als königlicher Almosenier, widmete sich allen diözesanen Angelegenheiten mit gleicher Intensität.

Seine letzte Reise

Abschied von der Familie

Seine letzte irdische Reise begann am 9. November 1622. So wie er den Abschied von Annecy, von seiner Familie und den Heimsuchungsschwestern gestaltete, ging er von dort offenbar wirklich mit dem Gefühl weg, dass dies seine letzte Reise sein wird. Seiner Familie eröffnete er am 6. November sein Testament. Darin machte er genaue Anordnungen über den Ablauf seiner Beerdigung. Er will in der Kirche der Heimsuchung begraben werden. An seinem Sarg sollen dreizehn Kerzen stehen und Schilder mit dem Namen Jesus, ansonsten kein Schmuck, denn die Familie soll das Geld den Armen geben. Sollte er außerhalb seiner Diözese sterben, überlässt er es seiner Familie, wo er begraben werde. Ebenso regelt er die familiären Finanzen. Als ältester Sohn hatte er seinem Vater versprochen, sich stets um die finanziellen Angelegenheiten seiner Familie zu kümmern.

Am 7. November 1622 übergab er alle wichtigen Dokumente seinem Bruder Jean-François, dem Koadjutor, mit den Worten: „So, jetzt stehe ich mit einem Bein auf der Erde und das andere ist schon abgehoben, um abzureisen.“ Am Dienstag, den 8. November, nahm er Abschied von seinen Verwandten und Freunden mit den Worten: „Es macht nichts, ob ich außerhalb meines Landes sterbe; sterben muss ich doch … Diese Reise kostet mich das Leben, aber wir werden einander später wiedersehen.“ Seine letzte Ansprache zu den Heimsuchungsschwestern von Annecy lautete: „Meine teuren Schwestern, verlangt nichts und verweigert nichts. Seid immer bereit zu tun, was Gott und der Gehorsam von euch fordern. Sehnt euch lediglich danach, Gott zu lieben und ihm zu dienen. Lebt wohl, meine teuren Schwestern, bis in die Ewigkeit.“

Abschied von der Pfortenschwester

Besonders berührend ist sein Abschied von der Pfortenschwester Anne Jacqueline Coste, die zu den ersten Schwestern seines Ordens gehörte. Sie verblüffte Franz von Sales schon 1609 mit ihrer prophetischen Gabe, als sie ihn in der Beichte darum bat, dass sie in seine neue Ordensgemeinschaft eintreten will, die er plane. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Franz von Sales darüber nur mit Johanna Franziska von Chantal gesprochen (Vgl. DASal 2,9). Nun überrascht sie ihn erneut, als sie beim Abschied des Bischofs zu weinen beginnt. Ihr sagte er: „Ich habe doch schon mehr Reisen unternommen und Sie noch nie weinen sehen.“ Darauf Anne Jacqueline: „Mein Herz sagt mir, dass dies eure letzte Reise ist und dass wie einander nie mehr wiedersehen.“ Franz antwortet ebenso prophetisch: „Und wissen Sie, was mein Herz sagt? Auch wenn ich nicht zurückkomme, werden wir einander doch bald wiedersehen.“ – Jacqueline starb tatsächlich nur wenige Monate nach Franz von Sales.

Die letzte Begegnung mit Johanna Franziska von Chantal

Auf der Rückreise von Avignon machte Franz von Sales am 29. November 1622 im Heimsuchungskloster von Lyon Halt und nahm dort sein letztes Quartier im Gartenhäuschen. Am 12. Dezember 1622 kam es zur letzten Begegnung zwischen Johanna von Chantal und Franz von Sales, in der er ihr nicht gestattete, über persönliche Angelegenheiten mit ihm zu sprechen. Die nächste persönliche Zwiesprache der beiden findet dann in Annecy statt, als Johanna eine Stunde lang allein mit Franz von Sales an seinem Sarg kniete.

Seine letzten Botschaften

Weihnachten war sein letztes großes Kirchenfest und er nutzte jede Gelegenheit, trotz angegriffenen Gesundheitszustands, um Gottesdienst zu feiern, zu predigen und die Sakramente zu spenden. Er gönnte sich keine Ruhepause. Am 26. Dezember 1622 fasste er seine letzte Unterweisung für die Schwestern – ähnlich wie in Annecy – mit den Worten zusammen: „Mit den beiden Worten: Nichts verlangen – nichts abschlagen, habe ich euch alles gesagt. Was könnte ich euch wohl noch sagen? Ich wüsste nichts anderes mehr.“ (DASal 2,328f).

Die weiteren Worte, die Franz von Sales in seinen Unterredungen den Schwestern kurz vor seinem Tod sagte, sind im Grunde nichts anderes als Ausformungen dieser Vollendung der Liebe, die im Wort „Nichts verlangen, nichts abschlagen“ enthalten ist:

  • „Echte Liebe liebt unbeeinflusst von Nähe und Ferne, sie hängt nicht an rein Menschlichem“ (DASal 2,331).
  • „Wir müssen alles der göttlichen Vorsehung überlassen“ (DASal 2,331).
  • „Nur wenige Menschen finden die Goldader der echten Armut: Nichts wünschen und mit dem Wenigen zufrieden sein, was wir nach Gottes Willen haben“ (DASal 2,332).
  • „Gott hilft den einfachen Seelen, die ihr Vertrauen auf ihn setzen“ (DASal 2,335).
  • „Nur eines ist wichtig: dass der Schöpfer uns liebt. Seine Liebe ist ganz sicher, und das soll uns genügen“ (DASal 2,336).
  • „Im Streben nach Vollkommenheit müssen wir ins Schwarze zielen, treffen wir aber daneben, so dürfen wir uns nicht grämen“ (DASal 2,337).
  • „Das Gebet ist … eine Erhebung des Geistes zu Gott, um sich mit ihm zu vereinigen“ (DASal 2,338).
  • „Es genügt, alles, was wir tun, einfach und schlicht für Gott zu tun“ (DASal 2,338).
  • „Wir vermögen alles mit der Gnade, die uns nie fehlt“ (DASal 2,339).
  • „Gott anhangen und nicht am Geschöpf hängen bleiben“ (DASal 2,341).
  • „Wenn ihr alles, was ihr tut, für Gott tut, dann seid ihr ständig in der Gegenwart Gottes. Essen, schlafen, arbeiten aus Liebe zu ihm, heißt in seiner Gegenwart sein“ (DASal 2,341).
  • „Viel reden hat gar keinen Wert, handeln muss man, das ist das Wichtige“ (DASal 2,345).
  • „Man mag schauen, wohin man will, immer wieder muss man auf die Sanftmut und Güte zurückkommen“ (DASal 2,349).

Sein Sterben und Tod

Gegen 14.00 Uhr am 27. Dezember 1622 erlitt Franz von Sales einen Schlaganfall. Dann begann seine medizinische Tortur. Die Ärzte wollten ihn, um seine Lebenskräfte zu wecken, unbedingt am Einschlafen hindern und quälten ihn mit allen möglichen Methoden: Man lässt ihn zur Ader, legt ihm Zugpflaster auf den Kopf, glühende Metallknöpfe auf den Nacken, riss ihn an den Haaren, verletzt seine Stirnhaut, verbrannte sein Fleisch. Gegen acht Uhr Abends, am 28. Dezember 1622, am Fest der Unschuldigen Kinder, hat er dann endlich seinen „Hafen der Ewigkeit“ erreicht, als den er den Tod immer betrachtete, einen Hafen, wo all seine Sehnsucht nach Liebe im überreichen Maß erfüllt wird. Seine letzten Worte waren: „Jesus, Maria … Der es begonnen hat, wird es vollenden … Jesus.“

„Jene glücklichen Seelen,“ schreibt Franz von Sales im „Theotimus“, „die nach den Mühen und Gefahren dieses sterblichen Lebens in den Hafen der Ewigkeit gelangen, erreichen dort die letzte und höchste Stufe der Liebe, die sie erklimmen können. Sie wird ihnen als Belohnung für ihre Verdienste verliehen und diese Belohnung ist nach den Worten des Herrn (Lk 6,38) nicht nur ein gutes, sondern ein überreiches, gerütteltes, aufgehäuftes, überquellendes Maß“ (DASal 3,180). Und einige Seiten vorher: „Gott als höchstes Gut lieben, heißt ihm mit unserer Liebe Ehre und Ehrfurcht erweisen, heißt bekennen, dass er unsere Vollkommenheit, unsere Ruhestätte und unser Ziel ist; jenes Ziel, in dessen Besitz unsere ganze Seligkeit besteht“ (DASAl 3,144).

Franz von Sales beschreibt dieses Ziel, das man durch Sterben und Tod erreicht, mit den Bildern vom Tropfen, der in den Ozean eintaucht, oder vom Stern, der sich im Licht der Sonne verliert:

„Sage mir doch, ich bitte dich, Theotimus, würde man einen Tropfen gewöhnlichen Wassers in einen Ozean wohlriechender Gewässer fallen lassen und dieser Tropfen könnte leben, sprechen und seinen Zustand beschreiben, würde er nicht voll Freude ausrufen: ‚O ihr Sterblichen, ich lebe wirklich, aber ich lebe nicht selbst, sondern dieser Ozean lebt in mir und mein Leben ist in diesem Abgrund verborgen.’ Die in Gott eingeströmte Seele stirbt nicht. Wie könnte sie auch sterben, wenn sie ins Leben versunken ist? Aber sie lebt, ohne in sich selbst zu leben. Denn so wie die Sterne, ohne ihr Licht zu verlieren, nicht leuchten, wenn die Sonne scheint, sondern die Sonne in ihnen leuchtet und sie im Lichte der Sonne verborgen sind, so lebt auch die Seele nicht, wenn sie in Gott eingegangen ist; sie verliert aber ihr Leben nicht, sondern Gott lebt in ihr“ (DASal 3,306f).

Der Leichnam kehrt zurück nach Annecy

Die Seele des hl. Franz von Sales hat am 28. Dezember 1622 ihr Ziel erreicht, sein Leichnam noch nicht. Erst als seine Familie und vor allem Johanna von Chantal ein Machtwort sprechen – gestützt auf den letzten Willen des Heiligen, dass sein Gefolge über den Ort der letzten Ruhestätte seines Leichnams entscheiden kann, wenn er außerhalb seiner Diözese stirbt -, wird sein Leichnam nach Annecy überführt. Zuvor wird er noch obduziert. Sein Herz bleibt in Lyon. In seiner Galle entdeckt man einen große Anzahl von Gallensteinen.

Am 24. Januar – dem heutigen Gedenktag – trifft sein Leichnam unter großer Anteilnahme der Bevölkerung in Annecy ein und wird im Kloster der Heimsuchung aufgebahrt. In diesen Tagen kommt es zum „letzten Gespräch“ zwischen Johanna von Chantal und Franz von Sales, in dem sie dem Verstorbenen jene persönlichen Anliegen unterbreiten konnte, die er am 12. Dezember 1622 als Lebender auf einen späteren Termin verschoben hatte.

Der 29. Januar ist der Tag des feierlichen Requiems für den Verstorbenen. Und am 30. Januar findet die Beisetzung der sterblichen Überreste des hl. Franz von Sales im Kloster der Heimsuchung von Annecy statt. 1632 wird der Sarg für den Seligsprechungsprozess noch einmal geöffnet, wo die Unverwestheit des Leichnams festgestellt wird. Bei dieser Exhumierung verlangt Johanna Franziska von Chantal noch einmal, allein mit dem Leichnam sein zu dürfen. In dieser Stunde des 4. August 1632 legt sie die Hand des Franz von Sales auf ihren Kopf, um sich seinen Segen geben zu lassen.

Heute ruht der Leichnam des Heiligen neben Johanna Franziska in der neuerbauten Basilika des Heimsuchungsklosters in Annecy. Sein Herz fand nach einer Odyssee von Lyon über Italien, Böhmen, Wien und Venedig im Heimsuchungskloster in Treviso seine letzte Ruhestätte.

P. Herbert Winklehner OSFS